Haltermann Carless hat unter dem seit Anfang 2024 amtierenden CEO Peter Friesenhahn ein Transformationsprogramm angestoßen. Über die Maßnahmen und Ziele dieser Transformation und seine Pläne für das Unternehmen sprach er mit dem CHEManager.
Das folgende Interview ist in der Oktober-Ausgabe 2025 des CHEManager Magazins erschienen:
Photo: Peter Friesenhahn, CEO Haltermann Carless (copyright: Haltermann Carless)
Nach der 2023 erfolgten Übernahme durch die International Chemical Investors Group (ICIG) firmiert die ehemalige HCS Group mittlerweile unter ihrem traditionsreichen Namen Haltermann Carless. Der Anbieter von auf Kohlenwasserstoffen basierenden Spezialkraftstoffen und Lösungsmitteln, der innerhalb der ICIG eine neue strategische Plattform bildet, hat unter dem seit Anfang 2024 amtierenden CEO Peter Friesenhahn ein Transformationsprogramm angestoßen. Über die Maßnahmen und Ziele dieser Transformation und seine Pläne für das Unternehmen sprach er mit Michael Reubold.
Herr Friesenhahn, Sie führen eines der ältesten Chemieunternehmen der Welt. Wie gehen Sie mit diesem Erbe um in einer Phase, in der sich die chemische Industrie in der tiefgreifendsten Transformation ihrer Geschichte befindet?
Peter Friesenhahn: Dieses Erbe ist für mich persönlich sowohl Verpflichtung als auch Inspiration. Seit 1859 steht unser Unternehmen für Pioniergeist, für den Mut, neue Wege zu gehen. Diese Haltung ist tief in unserer DNA verankert – und daran knüpfen wir jetzt an.
Als ich im Januar 2024 – kurz nach dem Unternehmensverkauf an die ICIG – die Verantwortung übernommen habe, war mir klar: Wir stehen an einem Punkt, an dem wir das nächste Kapitel unserer Unternehmensgeschichte schreiben – gemeinsam mit meinem Team, das Substanz, Erfahrung und Ideenreichtum mitbringt. Allerdings auch aus einer Zeit kommend, die von Verkaufsprozessen geprägt war – und damit auf einer oberflächlichen Optimierung des Unternehmens mit den entsprechenden Konsequenzen. Und extern betrachtet einer Zeit der Unsicherheit und schwächelnden Marktnachfrage, wie Sie in Ihrer Frage bereits angedeutet haben.
Sie sprechen von Substanz – worin liegt diese für Sie?
Friesenhahn: In unserer Kultur. In unserer über 160-jährigen Unternehmensgeschichte haben wir Krisen überstanden, Innovationen hervorgebracht – das bekannteste Beispiel ist sicher Petrol, noch heute ein Synonym für Treibstoffe – und viele Generationen geprägt. Unsere Mitarbeitenden sind teils Jahrzehnte bei uns beschäftigt und haben enormes Know-how über Produkte, Kundenanforderungen und den Markt. Gleichzeitig haben wir tolle Talente hinzugewonnen. Als mittelständisches Unternehmen, das international aktiv ist, müssen wir uns gegen teils große globale Player durchsetzen. Dies gelingt uns allem voran auch durch kompromisslose Kundenfokussierung.
Aber Tradition alleine ist kein Garant für das Fortbestehen eines Unternehmens, vielmehr ist Veränderungsbereitschaft entscheidend, wie Sie bereits erwähnt haben.
Friesenhahn: Das stimmt. Was wir jetzt brauchen, ist Mut zur Veränderung, Raum für neue Ideen, und eine Kultur, die nicht nur sagt: „Das haben wir immer so gemacht.“, sondern lösungsorientiert nach vorne schaut und fragt: „Was wäre, wenn?“ oder „Wie können wir unsere Ziele erreichen?“.
Woher kam der Impuls für die Veränderung?
Friesenhahn: Seit Ende 2023 gehört die Haltermann Carless, damals noch HCS Group, zur ICIG. Mit dem neuen Eigentümer haben wir einen Partner an unserer Seite, der eine starke unternehmerische Perspektive in der Chemieindustrie mitbringt, langfristig denkt und an das Potenzial unseres Unternehmens glaubt. Das ist keine kurzfristige Rendite-Story, sondern eine Zukunftsinvestition. Ich und das Geschäftsleitungsteam verstehen uns als Impulsgeber und strategische Lenker für die nachhaltige Entwicklung unseres Unternehmens.
Unser Transformationsprogramm RACE ist unser Masterplan – eine Strategie, die gleichzeitig stringente Konsolidierung und gezielte Weiterentwicklung der Geschäfte fordert. Konkret heißt das: Prozesse vereinfachen, Komplexität herausnehmen, sowie unsere Portfoliostrategie schärfen. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr reicht, einfach nur Kosten zu senken oder auf eine Markterholung zu warten. Wir müssen aus eigener Kraft widerstandsfähig sein.
Wo stehen Sie heute bei Ihrer RACE-Transformation?
Friesenhahn: Wir haben entscheidende Schritte in der strategischen Neuausrichtung initiiert: Erstens steigen wir aus zwei margenschwachen Commodity-Geschäften aus: dem Gaskondensat-Geschäft, das mit der Schließung einer Produktionsanlage in Harwich in Großbritannien eingestellt wird, sowie dem Oxo-Geschäft, dessen Produktionsstandort in Manvel, Texas, USA, vollständig geschlossen wird. Zweitens schließen wir unser Verwaltungsbüro in Großbritannien und verteilen die betroffenen Funktionen auf andere Standorte – ein Schritt zur Straffung der Strukturen, zur Kostensenkung und zur Steigerung der Effizienz. Und drittens richten wir den Vertrieb neu aus, reduzieren die Anzahl der Business Units von vier auf drei und ordnen sie den jeweiligen Kernproduktionsstandorten zu. Gleichzeitig wird die Vertriebskompetenz gezielt gestärkt und die Geschäftsentwicklung konsequent auf margenstarke, nachhaltige Anwendungen fokussiert.
Wie verändert sich dadurch Ihre Marktausrichtung?
Friesenhahn: Wir werden uns auf unsere Stärken und Assets fokussieren und diese in Nischen, die wir bisher noch nicht besetzen, gezielt ausbauen. Denken Sie an das Thema Kraftstoffe. In Pkw ist die Elektrifizierung nicht zu stoppen, doch es wird auch in Zukunft Bereiche geben, in denen Kraftstoffe aufgrund ihrer Energiedichte noch eine Rolle spielen werden. Hier sehen wir eine große Chance, uns mit unserer Expertise einzubringen.
Stehen Kraftstoffe heutzutage nicht im Widerspruch zum Thema Nachhaltigkeit?
Friesenhahn: Nein, Kohlenwasserstoffe werden auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der chemischen Industrie spielen. Die entscheidende Frage ist, ob diese fossilbasiert sein müssen oder erneuerbar sein dürfen. Wir können unseren Kunden in vielen Bereichen bereits heute beides anbieten.
Für uns ist Nachhaltigkeit noch stets ein Innovationstreiber und damit Wachstumstreiber. Nehmen Sie als Beispiel den Motorsport. Der internationale Dachverband FIA will die CO2 Emissionen bis 2030 um 50% senken. Hier bieten wir bereits einen bis zu 100% nachhaltigen Rennkraftstoff an und unterstützen damit den weltweiten Motorsportverband.
Auch das Aufbereiten und das Reycling von Transformatorenöl schont wertvolle Ressourcen und verlängert darüber hinaus die Lebensdauer von Transformatoren. Hier sehen wir großes Potenzial für unsere Geschäftseinheit Electrical Oil Services.
Ein anderes Beispiel ist GTL – Gas-to-Liquids. Damit gehen wir weg vom Erdöl und hin zu Gas als Rohstoff für unsere Produkte. Das ist zwar noch nicht ganz nachhaltig, aber ein machbarer Zwischenschritt.
Ich bin auch Realist: Dieser Wandel braucht Technologie, Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Tragfähigkeit. Nichtsdestotrotz ist es unser Anliegen, fossilbasierte Kohlenwasserstoffanwendungen schrittweise auf innovative, erneuerbare Rohstoffe umzustellen. Wie gesagt, wir sind und bleiben Pioniere für Kohlenwasserstoffe.
Was bedeutet denn Pioniergeist heute für Sie?
Friesenhahn: Pioniergeist bedeutet für mich, Neues auszuprobieren, Impulse zu setzen, und etwas anzustoßen, das es so vorher noch nicht gab. Oft beginnt das im Kleinen, kann aber eine große und nachhaltige Wirkung entfalten.
Auch gehören für mich Courage, also Mut, und Härte dazu. Der Mut, neue Wege zu denken, neue Lösungen zu entwickeln und andere dafür zu begeistern. Aber Pionier zu sein, bedeutet auch, Dinge durchzuziehen – selbst wenn es unbequem wird. Das heißt, auch einmal unpopuläre Entscheidungen zu treffen und Klartext zu sprechen. Das ist für mich Teil einer klaren und verantwortungsvollen Führung. Diese Mischung aus Neugier, Gestaltungskraft und Standhaftigkeit macht für mich echten Pioniergeist aus.
Wie reagieren die Mitarbeitenden auf all diese Veränderungen?
Friesenhahn: Natürlich gibt es auch Skepsis. Das ist ganz normal – Wandel ist anstrengend. Wichtig ist es nun, trotz aller Veränderungen und Verunsicherungen die gesamte Mannschaft mitzunehmen und diesen Weg kommunikativ eng zu begleiten. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, dass wir das Unternehmen durch die Krise führen und nicht hinein. Gefragt sind daher offene Kommunikation und klare Führung.
Wir haben hierzu an allen Standorten Kick-off-Events durchgeführt und „Change-Navigatoren“ geschult. Auch unseren Führungskräften kommt bei der Transformation eine wichtige Rolle zu. Daher steht dieses Jahr „Leadership“ im Fokus.
Darüber hinaus – was intern und extern ein sichtbares Zeichen der Veränderung und des Neuaufbruchs war – ist das neue Haltermann Carless Logo sowie unser neues, modernes Markendesign mit unserem Markenanspruch „Pioneers in Hydrocarbons“ und unserem Kundenversprechen „We take you further.“
Was mich begeistert: Sobald wir anfangen zuzuhören und Erfolge sichtbar zu machen, beginnt etwas zu entstehen. Wenn Menschen erleben, dass sie etwas bewirken können, dann entsteht wieder diese Energie. Dann entsteht Chemie im besten Sinne.
Was ist Ihre Vision für das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren?
Friesenhahn: Ein agiles, vernetztes Unternehmen, das auf seine Tradition stolz ist, aber gleichzeitig Zukunft gestaltet. Wir wollen in unseren Kernmärkten wachsen, neue Segmente erschließen und eine Unternehmenskultur leben, die Mut, Verantwortung und Gestaltungsfreude belohnt.
Was reizt Sie an Ihrer Aufgabe?
Friesenhahn: Bei Haltermann Carless fasziniert mich besonders unsere langjährige Unternehmensgeschichte. Unsere Gründerväter haben mit Mut und Ideenreichtum aus dem Nichts etwas aufgebaut. So haben sie beispielsweise mit der Entwicklung von Petrol einen wesentlichen Beitrag zu der aufkommenden Automobilindustrie im 19. Jahrhundert geleistet. Damals Pionierarbeit, heute ein stolzes Kapitel unserer Erfolgsgeschichte.
Ich bin vielleicht kein Experte für jedes chemische Detail – aber ich bin jemand, der andere inspirieren, verbinden und voranbringen kann. Und das ist heute mehr denn je gefragt: Menschen mitnehmen, Veränderung gestalten, Neues wagen.
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Eine gekürzte Fassung ist in der Oktober-Ausgabe 2025 des CHEManagers erschienen und ist ebenfalls in voller Länge auf der Website nachzulesen: https://chemanager-online.com/de/themen/pioniere-aus-tradition Bitte beachten Sie, dass der vollständige Beitrag auf der CHEManager Website erst nach Anmeldung bzw. einer einmaligen, kostenfreien Registrierung zugänglich ist.
Zur Person Peter Friesenhahn
Peter Friesenhahn ist seit dem 1. Januar 2024 CEO von Haltermann Carless (ehemals HCS Group). Er war vor seinem Amtsantritt zwölf Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Evonik tätig, zuletzt als Leiter der Business Line Silanes. Vor seiner Zeit bei Evonik hatte Friesenhahn 20 Jahre lang unterschiedliche Führungsfunktionen mit mehreren Auslandsaufenthalten bei Bayer inne. Er hat einen MBA mit Schwerpunkt auf Strategy, Marketing & Finance.
Haltermann Carless - Pioneers in hydrocarbons since 1859
Haltermann Carless ist ein führender internationaler Anbieter von hochwertigen Kohlenwasserstofflösungen in den Bereichen Mobility, Life Science, Industrial und Energy. Das Unternehmen entwickelt maßgeschneiderte Produkte mithilfe moderner Technologien, erforscht neue Rohstoffe und arbeitet eng mit Geschäftspartnern, Forschungsinstituten und Universitäten zusammen an innovativen Lösungen. Das Portfolio umfasst Spezial-Kraftstoffe, Lösungsmittel, Pentane, Mitteldestillate sowie Energieprodukte und -dienstleistungen.
Als eines der ältesten Chemieunternehmen der Welt setzt Haltermann Carless seine Tradition mit einem globalen Team von 500 Mitarbeitenden an neun Standorten und Produktionsstätten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA fort. Das Engagement für Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken wird durch mehrere Zertifizierungen ausgezeichnet, darunter EcoVadis Gold, ISCC EU und ISCC PLUS sowie die renommierte FIA Three-Star Environmental Accreditation.
Weitere Informationen: www.haltermann-carless.com
Ihr Medien-Kontakt:
Sandra Sparenberg +49 69 695 386-117 pr@haltermann-carless.com
Haltermann Carless Group GmbH, Edmund-Rumpler-Str. 3, 60549 Frankfurt am Main